Afrikadorf: Völkerverständigung oder Klischee-Dorf?

Das Afrikadorf mitten im Stadtpark bietet seit Ende Mai bis Anfang September kulturelle Begegnungen mit Teilen der afrikanischen Weltkultur. Schon weniger als 10 Tage nach der Eröffnung des Dorfes sind zwei Strohhütten abgebrannt. Laut Angaben der Veranstalter hat die Polizei die Ermittlungen aufgenommen und schließt eine Brandstiftung nicht aus.

Im Wiener Stadtpark angekommen braucht man nicht lange zu suchen: Auf zirka 600 Quadratmetern ist bei der Sebastian Kneipp-Statue ein Dorf von einem anderen Kontinent entstanden. Umgeben von einem Zaun aus Stroh, sind Häuser aus Lehm mit ihren charakteristischen spitzen strohgedeckten Dächern zu sehen. In einigen der Hütten hat sich bereits buntes Leben ausgebreitet, andere stehen noch leer. Läden für Kunstgegenstände aus ganz Afrika, Restaurants und sogar einen Frisör findet man in dem exterritorial anmutenden Dörfchen. Tagsüber werden Workshops veranstaltet: Ob man seine eigene Lehmhütte bauen möchte, oder in die Kunst des Trommelns eingewiesen werden will – hier ist man richtig. Auf der dorfeigenen Bühne treten allabendlich Stars der afrikanischen Musikszene auf. Anschließend rundet ein jeweils passendes DJ-Lineup das Afrika-Erlebnis ab. Ein Dorf im Wiener Stadtpark ist die Begegnungsstätte mit der Weltkultur Afrikas.

Brandstiftung?

Weniger als 10 Tage nach der Eröffnung des Afrikadorfes brannten am 6. Juni gegen vier Uhr früh drei Strohhütten ab. Das Feuer konnte von der Feuerwehr rasch gelöscht werden. Die Brandursache ist nach wie vor unbekannt. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen und schließt eine Brandstiftung nicht aus. Senegalesische Künstler sind stark betroffen: Mehr als 30 Trommeln und viele andere Instrumente sind in Flammen aufgegangen. Eine kamerunische Geschäftsfrau verlor viele ihrer Kunstgegenstände. Der Veranstalter, Ahmed Elgoni, bedauert den Brand sehr, aber betont: “Solche Akte werden uns nicht entmutigen, sondern uns in unserem Engagement für ein lebendiges Miteinander nur bestärken”

Stimmung der Afrikanischen Community in Wien

Das Afrikadorf polarisiert in der Wiener African Community und führt immer wieder zu Diskussionen zwischen dem Veranstalter und Besuchern. Viele AfrikanerInnen verstehen nicht, warum das Projekt “Afrikadorf” heißt. “Afrikacity” wäre doch ein viel besserer Name, meint eine engagierte Afrikanerin. Elgoni weist darauf hin, dass die Architektur vieler afrikanischer Städte nur ein Produkt des Kolonialismus, die ursprüngliche Form der Lehmhütten aber Afrika-immanent seien. Ob es nicht paradox sei, dass die größte Veranstaltung, die jemals in Wien zum Thema stattfand, ein Dorf ist, will eine andere wissen. Warum werden auf angeblich völkerverbindenden Veranstaltungen hartnäckig Klischees bedient, will sie wissen. Sie zieht die Parallele zu einem Afrikadorf, das anfang des vorigen Jahrhunderts im Prater bei der Jesuitenwiese stand, wo überhaupt noch Menschen ausgestellt worden seien.

Ein immer wieder vorgebrachter Kritikpunkt ist der unpolitische Ansatz des Afrikadorf-Konzepts. Elgoni verweist in dem Fall immer darauf, dass die Literatur, die Musik und die Filme, die im Dorf gezeigt werden, sehr wohl eine politische Intention darstellen. Mehr könne man im ersten Jahr nicht verlangen. Bis zum Afrikadorf im nächsten Jahr werde das Programm überarbeitet und ausgefeilt und jede konstruktive Kritik, die Elgoni zu hören bekommt, wird in die Planungen einfließen.

Trotzdem erhitzen sich immer wieder die Gemüter: “Wir bedienen durchgehend festgefahrene Klischees, wenn wir uns nur exotisch vorstellen. Man kann mit uns spielen, reden, tanzen und essen – viele wollen Sex von uns, und danach, wenn man keine Lust mehr zum Spielen hat, werden wir als mutmaßliche Drogendealer umgebracht – das ist Exotismus” formuliert es Grace Latigo, eine scharfe Kritikerin der afrikanischen Community in Österreich, drastisch. So etwas trifft Elgoni: Geprägt von negativen Bildern, die viele Medien über Afrikaner produzieren, war seine Idee “einen interkulturellen Dialog in der österreichischen Gesellschaft zu beginnen”. Und das Afrikadorf sollte ein Schritt in die richtige Richtung sein.

Simon Inou

Das Programm gibt es unter: http://www.afrikadorf.com

Artikel erschienen in der Wiener Zeitung am 18. Juni 2003