Sisonke Msimang: Und immer wieder aufbrechen

Text von Lisa Ndokwu

Wenn Kinder verstecken spielen, versuchen sie immer das perfekte Versteck zu finden. Das kleine Mädchen Sisonke versteckte sich einst in einem Stiegenhaus in Lusaka. Beinahe hätte sie niemand gefunden. Dennoch wurde dieses Versteck zu einer Offenbarung. Eine Nachbarin tratschte mit ihrer Freundin über die Msimangs, die Flüchtlinge. Ungewöhnliche Familienverhältnisse, der Vater Student, die Mutter Alleinverdienerin und zu allem Überfluss hatten sie nur drei Töchter. Die kleine Sisonke erfuhr so, dass Söhne sicher zum heimlichen Wunsch des Vaters gehörten. Sie machte sich klein und hielt den Atem an. Später zu Hause, hielt sie ihr Vater lange im Arm und ihre Mutter stattete der Nachbarin einen Besuch ab.

Die Siebzigerjahre in Sambia waren besondere Jahre. Es regierte Kenneth Kaunda. Ein Mann, der von einem unabhängigen und gleichberechtigten Kontinent träumte. Die Politik der Apartheid in Südafrika betrachtete er als Schande. Er nahm sie auf, die Flüchtlinge Südafrikas, die Freiheitskämpfer und Träumer von einer besseren Welt. Entgegen dem verächtlichen Gerede der Nachbarin war Sisonkes Vater kein Student.

Er war einer der Freiheitskämpfer Südafrikas, ein Mitstreiter Nelson Mandelas, einer, der gegen das Unrecht kämpfte und dafür sogar seine Heimat verlassen hatte. Insgesamt war er mehr als dreißig Jahre auf der Flucht und im Widerstand. Als ihm Nelson Mandela 1990 schließlich aus einem Fernseher in Nairobi zuwinkte, war seine älteste Tochter Sisonke sechzehn Jahre alt.

Dazwischen lagen drei Nationen, zwei Kontinente und eine Heimat, die jenseits von Grenzen existierte. Sisonke Msimang hat mit dem Buch „Und immer wieder aufbrechen“ nicht nur die Geschichte ihrer Familie im Exil erzählt. Die Themen des 21. Jahrhunderts waren schon in den 90iger Jahren des vorigen Jahrhunderts präsent. Exil und Heimat, Vielfalt oder Einfalt, Nationalitäten und Vorurteile, Migration und alle damit verbundenen -ismen werden von der Autorin mit der reflexiven Kraft der Erwachsenen aufgezeigt.

Der Rassismus der Kindheit in einer kanadischen Schule führte zu einer Einführung in einfache Selbstverteidigungsstrategien. Wenn die Eltern ein Freiheitskämpfer und eine Buchhalterin sind, kommt es zwangsläufig zu ungewöhnlichen Lernprozessen. Zwischen Anpassung und Ausgrenzung verläuft oft ein schmaler Grat. Der sprichwörtliche Seiltanz, den ihre Eltern täglich vollführten, blieb den Kindern großteils verborgen. Mit wie viel Liebe und Umsicht sie auch agierten, immer gelang es nicht, unbeschadet davon zu kommen.

Mit großer Eindeutigkeit beschlossen die drei Schwestern im freien Südafrika zu leben. Der Traum, dass Schwarze und Weiße gemeinsam eine Nation gestalten können, wird von den Kindern der Freiheitskämpfer weitergetragen. Welche Konflikte Sisonke Msimang mit sich selbst auszutragen hatte, beschreibt sie mit schonungsloser Offenheit. Und so manches Ereignis wurde durch das Schreiben dieses Buches neu bewertet und betrachtet.

Sisonke Msimang erinnerte sich an einen Zeltausflug mit der Mutter im kanadischen Exil. Am Ende regnete es in Strömen und es gelang nicht, das Zelt aufzustellen. Unverrichteter Dinge fuhren alle zurück nach Hause, glücklich und singend. Die Kinder wussten nicht, dass ihre Mutter an diesem Tag gekündigt hatte. „Ich bin gegangen, weil meine Würde nicht zum Verkauf stand“, sagte sie viele Jahre später in Johannesburg.

Dieses Buch handelt von der Würde der Menschen und wie schnell sie in Vergessenheit geraten kann. Das Schöne an Büchern wie diesen ist, man kann sie mehrmals lesen und die Lücken des Vergessens füllen.

Das Buch ist im Haymon Verlag erschienen:

Sisonke Msimang, „Und immer wieder aufbrechen“

Sisonke Msimang

Und immer wieder aufbrechen

ISBN 978-3-7099-8140-5

404 Seiten, gebunden

€ 24,90