Die Afrikanische Diaspora in der EU und der Ukraine Krieg

Ukraine: Die afrikanische Diaspora in der EU hat mehr Leben gerettet als die Afrikanische Union

Die afrikanischen Diaspora Organisationen haben während des Ukraine-Krieges gezeigt, dass man sich auch auf sie verlassen kann, insbesondere wenn Afrikaner*innen in Konfliktgebieten aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden. Beispiele aus Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz.

Von simon INOU, erschienen im deutschen LONAM Magazin

Nach dem Beginn der kriegerischen Invasion der Ukraine durch Russland waren viele afrikanische Nationen mit der Situation überrascht und überfordert. Nicht viele hatten mit einem solchen Angriffskrieg gerechnet und den afrikanischen Regierungen fehlten zusätzlich Informationen, wie viele ihrer Bürger*innen sich überhaupt in der Ukraine aufhielten. Auch die Organisation der Evakuierung stellte sie vor Herausforderungen. Afrikanische Bürger*innen erfuhren bei ihrer Flucht zusätzlich Rassismus und Diskriminierung und wurden an Grenzübergängen behindert. Während Südafrika drei bis vier Tagen brauchte um die Rettung der Bürger*innen zu organisieren, benötigte Kamerun mehr als zehn Tage. Eine ungewöhnliche Aktion zur Rettung der eigenen Bürger*innen führte der derzeitige Botschafter der Côte d´Ivoire, Philippe Mangou, durch: Mit seiner Limousine und einem Bus fuhr er bis zur ukrainisch-polnischen Grenze und rettete 115 Personen, darunter auch viele Europäer*innen und Afrikaner*innen. Länder wie Algerien, Tunesien, Ghana oder Nigeria nutzen ihre Fluggesellschaften, um den Bürger*innen, die zurückkehren wollten, eine Möglichkeit dafür zu bieten.

Aus Paris war die Hilfe am größten

Am besten organisiert waren jedoch die Organisationen der afrikanischen Diaspora in ganz Europa. Sie reagierten blitzschnell und retteten mehr Leben als die Afrikanische Union. Den trägen Verwaltungen der Regierungen brachten sie Effizienz und Schnelligkeit entgegen.

Aus Paris organisierte der Kameruner Abdelaziz Mounde Njimbam im Namen der Initiative „Maison des Camerounais de France” und des Netzwerkes „Réseau Afrique 6e région” zusammen mit Aktivist*innen aus Polen sowie Deutschland die Rettung von 1.186 Personen, die sich jetzt in Frankreich befinden. Unter ihnen befinden sich 480 Studierende, wie Herr Mounde Njimbam über die Facebook Seite der Initiative berichtet. Bis dato handelt es sich dabei um die größte Rettungsaktion von Menschen Afrikanischer Herkunft während des russisch-ukrainischen Krieges, die von einer NGO durchgeführt wurde.

Österreich lehnt afrikanische Kriegsgeflüchtete ab und nimmt ihre Pässe ab

In Österreich wurde die Rettung von mehr als 40 Personen durch eine kollektive Arbeit von der nigerianisch-österreichischen Instagram Initiative Austrian Pikin ermöglicht. Unter dem Begriff “Black People From Ukraine in Austria” arbeiteten sie unter anderen mit Topoke, Karin und Ossiri Gnaore, Mariama Nzinga, Jules Tabue, der Radiosendung freshVibes und der Homepage www.blackaustria.info zusammen.

Aber auch in Österreich sind zahlreiche Fälle der Diskriminierung bekannt. Geflüchtete afrikanischer Herkunft wurden weder vom Staat noch von NGOs bei der Suche nach Unterkunft und Verpflegung unterstützt. Dazu kamen Schwierigkeiten im Hinblick auf die Verwaltung. Studierende, die in Wien angekommen und in österreichischen Familien untergebracht sind, erzählten, dass sie bei ihrer Ankunft am Wiener Hauptbahnhof zunächst von der Caritas abgelehnt und ins Austria Center geschickt wurden. In diesem Kongresszentrum befindet sich derzeit das Erfassungs- und Beratungszentrum für Menschen aus der Ukraine. Nachdem sie auch hier abgewiesen wurden, weil sie „keinen ukrainischen Pass besitzen“, war ihre Endstation vorläufig eine Polizeistation, wo ihnen die Pässe abgenommen worden sein sollen. Einige berichten, zum Asylantrag gezwungen oder mit Falschinformationen versorgt worden zu sein. Es gibt auch Informationen über den Fall eines ghanaischen Studenten, dessen Pass vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beschlagnahmt wurde. Er bekäme diesen erst nach Vorlage eines Flugtickets nach Ghana zurück. Aufgrund seines legalen Aufenthaltsstatus in der Ukraine stände dem Studenten jedoch in der gesamten EU Reisefreiheit zu. Dieser Fall ist bereits der zweite in Österreich. Er erinnert an den des 21- Jährigen tunesischen Studenten Raji Tebai. Er hatte in der Stadt Dnipro Informatik studiert und den Ukraine-Krieg hautnah miterlebt. Er flüchtete nach Linz zu seinem Onkel, wo er sich nach einer möglichen Fortsetzung seines Studiums erkundigte und ging zur Polizei, um sich zu registrieren. Die Polizei nahm ihn fest weil er als Drittstaatsangehöriger illegal in Österreich sei. Illegal war jedoch nur sein darauf folgender 24 ständiger Gefängnisaufenthalt. Nur mit Hilfe eines Rechtsanwalts, der die Rechtswidrigkeit der Festnahme beweisen konnte, erhielt der junge Mann seine Papiere zurück. Jenseits dessen organisierte in Österreich die über Instagram aktive Initiative Austrian Pikin durch Tope und Barbara Abieyuma mehrmals eine Sammlung von Hilfsgütern für die Ukraine. So wurden zum Beispiel Lebensmittel, Konservendosen, Dosenöffner, Medikamente, Hygieneartikel, Babywindeln, Milchpulver, Fläschchen und warme Kleidung gesammelt und in die Ukraine geschickt.

In der Schweiz erklärt einen Nigerianer, den Ukrainern wie die Schweiz funktioniert

In Fribourg in der Schweiz veranstaltete der dort ansässige Verein „Village Africain de Fribourg” eine ähnliche Aktion bereits Anfang März, wie wir auf dessen Facebook Seite nachverfolgen können. Vom 7. bis 11. März sammelten sie viele Hilfsgüter um Afrikaner*innen vor Ort zu helfen, die sie an die katholische Kirche in Krakau, Polen, übergaben, wo sich zu dem Zeitpunkt viele Menschen afrikanischer Herkunft aufhielten. Am 12. März veranstaltete der Verein eine Demo in Genf gegen rassistische Entgleisungen an der ukrainisch-polnischen Grenze zu Beginn des Konflikts. Des weiteren wurde Geld für afrikanische Geflüchtete aus der Ukraine in Polen gesammelt.

In der Schweiz leistet auch der Schweizer Mark Bamidele-Emmanuel mit seinem Online Diaspora TV-Programm einen hervorragenden Dienst. Der gebürtige Nigerianer gründete vor 17 Jahren den African Mirror TV und beschränkte sich damals thematisch auf die afrikanische Gemeinde in der Schweiz. 2018 taufte er es in Diaspora TV um, um mehr Menschen anderer Kulturen in der Schweiz zu erreichen. Heute sendet er in 17 Sprachen, darunter auch auf Ukrainisch. Seit sechs Wochen informiert Diaspora TV Ukrainer*innen in ihrer Muttersprache über das Leben in der Schweiz. Eine Premiere im Land von Jean Ziegler