Ishraga Mustafa Hamid: „Ich bin eine Schwarze Wienerin – mit großem S“

„Ich bin eine Schwarze Wienerin – mit großem S“ – Ishraga Mustafa Hamid im Austausch mit Studierenden der Komparatistik an der Universität Wien

Ein Bericht von Laura Kisser

Sie ist Schriftstellerin, Aktivistin, Politikwissenschaftlerin und Übersetzerin: Dr.in Ishraga Mustafa Hamid. Als eine der wohl engagiertesten Frauen Österreichs, ist Hamid aus der heimischen Kulturszene nicht mehr wegzudenken. Im Rahmen des Kurses „Mapping ‚African-Diasporic‘ Literary Voices in the Austrian Cultural Scene“ der Universität Wien, geleitet von Ass.-Prof. Dr. Rémi Tchokothe, hatten wir die große Ehre, Ishraga Mustafa Hamid zu treffen und uns mit ihr über Literatur, ihr gesellschaftliches Engagement, Feminismus und die Macht der Sprache auszutauschen.

1961 in der Stadt Kosti im Sudan geboren, studierte Hamid Kommunikationswissenschaften und emigrierte nach der militärischen Machtübernahme durch Umar Al-Bashir 1993 nach Wien, wo sie bis heute lebt, arbeitet und schreibt. Die Autorin studierte Journalismus und promovierte 2006 am Wiener Institut für Politikwissenschaft mit einer Arbeit über Empowerment-Prozesse Schwarzer Frauen. Für ihre literarische und aktivistische Arbeit erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, so beispielweise 2020 das goldene Verdienstzeichen der Stadt Wien und erst dieses Jahr den PEN-Translate-Preis für die englischsprachige Übersetzung ihrer Autobiografie Women of the Rivers, die von Sawad Hussain aus dem Arabischen (Sudan) ins Englische übersetzt wird.

Hamid erzählt mit Enthusiasmus von ihren literarischen und aktivistischen Projekten. Man merkt sofort: Ihr Tun ist ihre Leidenschaft. Dabei wählt sie ihre Worte sorgfältig, macht immer wieder deutlich: Sprache ist politisch, Sprache ist Macht. Sie scheut nicht davor zurück, Ungerechtigkeiten anzusprechen, engagierte sich so bereits in ihrer Jugend bei der sudanesischen Frauenbewegung und setzte ihre aktivistische Arbeit in Wien fort. Als Mitbegründerin der Schwarze-Frauen-Community, legt Hamid in ihrem Aktivismus besonderen Fokus auf BIPOC-Frauen* und Migrantinnen, für die sie regelmäßig Schreibworkshops anbietet. Allein in den letzten drei Jahren publizierte sie aus den literarischen Ergebnissen dieser Workshops vier Anthologien, die die Geschichten von insgesamt 65 Frauen sichtbar machen.

Solidarität und Mitmenschlichkeit sind jedoch nicht nur in Hamids aktivistischem Engagement, sondern auch in ihrer Literatur zentrale Themen. Viele ihrer Texte befassen sich mit menschlichen Begegnungen, jedoch auch mit Formen von Rassismus, Gewalt und Vorurteilen, die sie als „Schwarze Wienerin – mit großem S“, wie sie sich selbst definiert, immer wieder erlebt. Wir sprachen über Fragen wie “Woher kommst du?”, die rassistische Gewalt reproduzieren und eine Form des Othering sind. Eine Frage, auf die Hamid mittlerweile einfach mit „Ich komme von der Erde” antwortet, wie sie auch in ihrem Gedicht “Apfel der politischen Bildung” aus ihrem Buch Gesichter der Donau (2014) schreibt.

Literatur und Aktivismus ist für die Autorin damit unweigerlich verbunden, Hamid betrachtet das Schreiben als eine Form des Widerstands: „Literatur ist für mich kein Luxus, es ist meine Art, Bewusstsein zu schaffen“. Ein Bewusstsein, das sie nicht nur bei sich, sondern auch bei anderen zu wecken wünscht. Tabuthemen gibt es für die Autorin nicht, auch wenn sie damit sowohl im Sudan als auch in Österreich immer wieder auf Kritik stößt, besonders wenn sie, wie in ihrem Prosatext „Razor Blade Rattle and the Beginnings of Being Tamed “, über Themen wie weibliche Sexualität und Genitalverstümmelung schreibt. Es ist ein Text, der von Trauer und Verlust, aber vor allem auch von weiblicher Stärke und der Bedeutung der eigenen Handlungsfähigkeit erzählt. Nicht nur die Sprache, sondern auch Körper – besonders weibliche – sind für Hamid politische und institutionalisierte Orte, die oft als Machtinstrumente verwendet werden.

Hamids Alltag ist von unermüdlichem Engagement gekennzeichnet, auch wenn dies bedeutet, dass ihre eigenen Buch- und Übersetzungsprojekte manchmal in den Hintergrund geraten, wie sie uns erzählte. Ihre verschiedenen Tätigkeitsbereiche zu vereinen, stellt Hamid immer wieder vor Herausforderungen, unbestritten ist jedoch: Hamid bleibt hartnäckig, lässt sich nicht ausbremsen: „Es war nicht einfach, aber ich gehe meinen Weg.“