Von 20. bis 21. September 2025 wurde zum 17. mal das Dana Bayrami – das Kalbsfest – größtes internationales Festival der Afro-türken in und um Izmir gefeiert. Auch dabei Afro-griechen, die beinahe dieselbe Vergangenheit teilen. Eine Reportage von simon INOU aus Izmir
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von simon INOU, aus Izmir
Izmir. 18. September 2025. Es ist 13h. Diese Sonne scheint. Das Wetter ist sehr angenehm. Es ist 22 Grad. Ein leichter Wind weht. Ich stehe bei einem wichtigen Wahrzeichen von Izmir: Der Uhrturm im Bezirk Konak. Hier befindet sich die U-Bahn-Station Konak.
Hier habe ich einen Termin mit Beyhan Türkkollu. Die sechzig jährige ist die Vice-Präsidentin von Afrikalılar Kültür, Dayanışma ve Yardımlaşma Derneği, dem afrikanischen Verein für Kultur, Solidarität und gegenseitige Hilfe. Der Termin mit der Afro-türkin ist seit Februar fixiert. Ich bin sehr gespannt und neugierig.
Während ich warte, genieße ich den Blick auf diesen Uhrturm. Schräg gegenüber des Turmes steht auch ein Juwel dieser Stadt: Die Yali Moschee, gebaut Mitte des 18. Jahrhunderts. Rund um den Turm gibt es einen Platz. Dieser Uhrturm ist ein wichtiges Wahrzeichen dieser Stadt. Der Turm ist nicht nur ein Treffpunkt, sondern ein Ort, wo auch Fotoshooting gemacht wird. Hier sehe ich viele neue vermahlene Paare, die sich fotografieren. Sie wollen diesen einzigen Moment ihrer Beziehung verewigen. Näher bei mir futtern Kinder die Tauben, zwei Bettler gehen an mich vorbei. In der Ferne küsst sich ein Liebespaar unendlich lang. Ich habe dein Eindruck, dass die Wartezeit kurz ist. Die Schönheit dieser Stadt ist ein Grund dafür. Ich versuche mehr Infos über diesen Platz, diese Stadt am Handy zu recherchieren.
Izmir. Die drittgrößte Stadt der Türkei nach Istanbul und Ankara liegt in Anatolien am ägäischen Meer. Hier ist die Stadt von Mustafa Kemal Atatürk. Der Gründer der modernen Türkei ist überall hier zu sehen. Obwohl der Flughafen seinen Namen nicht trägt, sind Sprüchen von ihm hier zu lesen. In der ganzen Stadt ist es in mehreren Positionen als Statuen zu sehen, auf manche Fahnen, als Neonlicht in der Nacht, als Taufpate mehrerer Kulturzentren, Museen, Straßen … ein Symbol national Stolz, wie der Taxifahrer Mustafa mir später sagen wird. Hier in Izmir ist Mustafa Kemal Atatürk auch im Stein gemeißelt. In der Gemeinde Buca steht der größte Atatürk Denkmal. Mit einer Höhe von 42 Metern ist sie die höchste Statue der Türkei.
Gegen 13h30 läutet mein Handy. Beyhan ist am Apparat. Sie ist gerade mit französischen Theatermacher:innen unterwegs zu mir. Drei Minuten später steht sie vor mir. Begleitet von einem französischen Theaterteam, mit einem fetten Mikrophon und Aufnahmegerät ausgerüstet, die für einen Podcast Doku auf aufnehmen. Beyhan ist eine kleine Frau mit roten Rastazöpfen und einer Lesebrille um den Hals. Sie trägt ein weißes Hemd-Hosen-Ensemble und hat ihr Handy schrägt über die Schulter gehängt. Die Dame ist sehr mit den Vorbereitungen des Dana Bayrami Festivals – Kalbsfest – extrem beschäftigt.
“Hey Simon, how are you?” ruft sie lebhaft aus. Mit offenen Armen umarmt sie mich und freut sich so sehr, dass wir uns endlich im realen Leben sehen. “Welcome to Izmir, simon; Was everything ok until now? I am so happy you are here. Let’s go to our office” ruft sie.
Unsere kleine Truppe startet Richtung Büro. Es ist in der 851 Sokak; No:6 Zemin:4 Kurhan işhanı Konak – 851 Straße; Nr. 6 Erdgeschoss: 4 Kurhan Geschäftshaus Konak. Neun Minuten später sind wir im Vereinsbüro. Das Büro ist sehr zentral situiert. Im Erdgeschoss stehen drei kleine Tische in der Mitte des Raumes, auf denen sich mehrere Zeitschriften befinden. Rundherum befinden sich Sitzgelegenheiten für Gäste wie uns. Links gibt es ein großes Glasfenster, das mit einem halbtransparenten Vorhang verdeckt ist. Ein kleiner Tisch und ein Stuhl dienen als Schreibtisch. An der Wand hinter diesem Schreibtisch hängt ein großes Poster von einem jungen Mädchen mit einem rosa Kleid sowie das Bild von Mustafa Olpak. Der Mann, mit dem alles begann. Das Büro erstreckt sich über drei Ebenen, die alle durch eine Wendeltreppe aus Metall miteinander verbunden sind. “Im Keller lagern wir die Materialien, die uns bei der Vorbereitung unserer jährlichen Veranstaltungen helfen, und im ersten Stock haben wir einen weiteren Raum, erklärt Beyhan. Wer mit den Büros von Nichtregierungsorganisationen vertraut ist, weiß natürlich, dass dort Schränke mit Ordnern, Archiven und anderen für den Verein wertvollen Dokumenten zu finden sind. Das ist auch hier der Fall. Bei den Ordnern im Schrank ist die blaue Farbe dominant. „Nur ein Zufall“ sagt Beyhan.
Die afrikanische Identität ist durch ein Buch entstanden
“Unser Büro war nicht immer hier. Der Verein wurde in Ayvalik gegründet“ so Beyhan. Der Gründer seht ihr hier. Sie zeigt mit dem Zeigenfinger auf das Porträt von Mustafa Olpak hinter dem Schreibtisch. Hier in der Türkei wird Olpak als der Alex Haley am Bosphorus gezeichnet. Der US Amerikanische Journalist Alex Haley, auch bekannt für seine Autobiographie von Malcolm X, wurde 1976 durch seinen Familienroman „Roots. The Saga of an American Family“ weltberühmt. Das Werk, das mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, zeichnet die Genealogie seiner Familie von Westafrika (Gambia) über die Versklavung bis zu seiner eigenen Generation nach. Daraus entstand eine populäre Fernsehserie demselbigen Namen.Ayvalik, eine kleine Stadt nördlich von Izmir, ist der Geburtsort von Mustafa Olpak. Das fünfte Kind von Kemale, einer Schneiderin, und Mehmet, einem Marmorsteinmetz, wollte schon als Kind die Geschichte seiner Familie wissen. So, mit Cemil, seinem besten Jugendfreund und Sohn seiner Großtante Zeynep elaborierte er eine Umfrage Strategie, um seine Großeltern über die Herkunft der Familie zu hinterfragen. Jedes Mal, wenn Mustafa mit seiner Mama darüber redete, wurde immer eine lakonische Antwort gegeben. Die Mutter genierte sich, schämte sich, wurde traurig über die Skalvengeschichte der Familie zu erzählen. So begannen Cemil und Mustafa, mit gezielten Fragen die Familiengeschichte von Mustafa Olpak zu ordnen und später im Jahre 2005 zu publizieren. Das Buch „Kenya-Girit-İstanbul: Köle Kıyısından İnsan Biyografileri“ („Kenia-Kreta-Istanbul: Biografie der Küstensklaven“) veröffentlichte. Olpaks Buch kratzte ernsthaft am offiziellen Bild des Osmanischen Reiches, in dem der nationalistische Diskurs bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts seine Vergangenheit als Sklavenhalter leugnete. Während Beyhan mit Leidenschaft erzählt, stellt sie fest, dass es zu spät ist. Sie muss nach Hause, sich vorbereiten und zur Eröffnung der Fotoausstellung im französischen Kulturinstitut.
Der französische Fotograf Philippe Dupuich verbrachte drei Jahre innerhalb der Afrotürkischen Communities in und um Izmir, dokumentierte Plätze und Menschen, die die Identität dieser Community prägen.
“Als Afrotürkin wurde ich zum ersten Mal in einem berliner Ubahn diskriminiert. Hier in der Türkei nicht.”
Zwei Tage nach der Ausstellung am 20. September wurde das tatsächliche Festival im Tarihi Bıçakçı Han, einem aus dem neunzehnten Jahrhundert Gebäudekomplex, das heute als offenes Kulturzentrum gilt, mit Diskussionen, Präsentationen eröffnet. Die 17. Ausgabe des Festivals war mit internationalen Gästen bestückt. Vor mehr als hundert Personen wurden Vorträge von türkischen sowie internationale Gäste aus Frankreich und Kanada gehalten. Während einer der Pausen frage, ich Beyhan wie sie in der Türkei mit Diskriminierung gegenüber Scwarze menschen umgeht. Die sechzigjährige meint “Als Afro-türken fühlen wir uns überhaupt nicht diskriminiert. In dieser gesellschaft sindt wir total akzeptiert. Eigentlich meine erste rassistische Erfahrung machte ich in einer berliner Ubahn. Dort waren wir im Rahmen einerm Kooperationsprojekt mit einer Afrodeutschen NGOs in Berlin
Am Ende dieses ersten Teiles des Festivals wurden die Teilnehmer:innen mit einem Bus der Stadtverwaltung von Izmir von Kulturzentrum Tarihi Bıçakçı Han bis Kibris Sehitleri Caddesi oder Straße der Märtyrer von Zypern – eine belebte Fußgängerzone im Stadtteil Alsancak -, wo die traditionelle Prozession zum Kalbsfest “Dana Bayrami” mit an der Spitze einem geschmückten schwarzen Kalb auf Rollen, das von zwei Frauen geschoben wurde. Abschluss dieser Prozession war am Vasıf Çınar Platz, mit einem live Konzert der Afrotürkischen bekannten Jazzsängerin Melis Sökmen, mit dem Titel “Everything muss Change. Nothing stays the same…”
Traditionell ist es immer so, dass am letzten Festival tag ein familien Picknick in einem Freizeit- und Unterhaltungszentrum organisiert wird. Die Stadt Izmir stellt Busse für Gäste zur Verfügung. Dieses Jahr wurde in Buca Gölet, eines der beliebtesten Freizeit- und Unterhaltungszentren von Izmir, dem drittgrößten Stadt der Türkei nach Istanbul und Ankara, das Abschlussfest organisiert. Dort ist auch die beste Gelegenheit, die verschiedenen Generationen afrotürkischen Bevölkerung zu treffen. Mit Musik und zum Schluss wird ein Familienbild verabschiedet und sich auf ein Wiedersehen gewünscht.





