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Bulayumi: Sterbebegleitung als Lebensbegleitung

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Der Tod als integraler Bestandteil des Lebens

Der kongolesische Autor Espérance Francois Bulayumi ist Schriftsteller, Philosoph und Bildungsbeauftragter des Afro Asiatischen Instituts in Wien. Als Afrikaner, der sowohl im traditionellen Afrika als auch im modernen Europa erzogen worden ist, gibt er praktische philosophische Antworten auf oft tabuisierte Fragen: Wie soll man mit dem Tod umgehen? Wie kann man Kindern den Tod erklären?

Im ersten Abschnitt des Buches wird argumentiert, dass der Tod und die Sterbegleitung ein globales Thema sei. Bulayumi versucht zu zeigen, wie wichtig diese Themen für uns Menschen sind. In diesem Teil wird auch intensiv die in Europa immer wieder heftig diskutierte aktive und passive Sterbehilfe behandelt. – Ein aktuelles Thema also.

Im zweiten Teil des Buches werden Sterben und Sterbebegleitung in seiner lokalen Realisierung erörtert. Hier versucht Bulayumi das globale Thema der Sterbebegleitung als Lebensbegleitung geographisch zu beschränken. Um die Arbeit präziser zu gestalten beschränkt er sich auf Beispiele aus seinem Heimatland, der Zentralafrikanischen Republik Kongo. Er erklärt, die umfassende Auseinandersetzung dieser Gesellschaft mit der Sterbebegleitung, die dort in vier Phasen eingeteilt ist und den Tod als integralen Bestandteil des Lebens ansieht. Der Autor unterstreicht, dass in Afrika südlich der Sahara das Sterben keine private Angelegenheit sei und führt weiter aus, dass im Falle eines einsamen Todes die Gesellschaft durch bestimmte Riten dem Toten nachträglich beim Sterben helfen muss (S. 139).

Als Gegenpart wird der Klassiker der europäischen Todessoziologie, “Die Lebenden und der Tod” des Schweizers Jean Ziegler, herangezogen. So stellt der Tod in der kapitalistischen Gesellschaft eine Schwelle dar, auf die sich der Mensch beständig zubewegt, bis er dann in ein endgültiges Nichts abstürzt und nach kurzer Pflege bereits zu Abfall geworden ist. Das Sterben selbst wird in Schweigen gehüllt, der Tod damit seiner existenziellen Bedeutung und Würde beraubt. Der Mensch reduziert sich auf seine Warenfunktion. Da gibt es den “Warenkannibalismus”, der die Organe des Toten zu zirkulierenden Objekten von Spekulationsgeschäften bestimmt. Da gibt es die ausgefeilten Techniken der death-control, die den Todkranken nur noch im Austausch mit anderen Systemen der Produktion existieren lassen (künstliche Niere, eiserne Lunge).

Euthanasie, Organspende und ihre Derivate sind nach der Meinung von Bulayumi Praktiken, welche die Gesellschaften Afrikas im Gegensatz zu Europa zurückweisen.

Ein interessantes Kapitel des Buches beschäftigt sich mit Kinderfragen über den Tod. Wie können Erwachsene mit Kindern, die Verwandte verloren haben umgehen? Soll man Kinder vom Sterbeprozess ausschließen? Es ist besonders ratsam, so Bulayumi, die Begleitung kleiner Kinder zu beginnen, bevor der Tod eines ihnen nahe stehenden Menschen eintritt. Schweigen von Seiten der Erwachsenen zum Tod würde das Kind seinen Gefühlen, Phantasien und Ängsten überlassen.

Ein in vielerlei Hinsicht lesenswertes Buch, das europäische LeserInnen mit unerwarteten und weiterführenden Gedanken bereichern kann.

Simon Inou

Artikel erschienen in der Wiener Zeitung am 21. Mai 2003


Espérance Francois Ngayibata Bulayumi

Sterbebegleitung als Lebensbegleitung, Eine imperative ethische Notwendigkeit

284 Seiten, 2001 Edition pro mente, Linz, 18,20 Euro.

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Herausgeber blackaustria.info

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