AYA – ein beachtenswerter Comic voller Lebenslust
Viele AfrikanerInnen, die in Europa leben, haben eines gemeinsam: Sie sind mit den Bildern, die von vielen “westlichen” Mainstream Medien (Bücher, Presse, Radio, TV und Internet) über ihren Kontinent verbreitet werden, nicht einverstanden. Hilflosigkeit, Abhängigkeiten, Opfertum, Armut, Geschichtslosigkeit, wild und faul sein und “Nicht Meister der eigenen Zukunft” sind u.a. nur einige diese Vorurteile. Im Oktober 2006 ist zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum ein Comic erschienen, das realistisch diesen Klischees entgegentritt.
Eine Rezension von simon INOU, Afrikanet
Der Comic heißt AYA und wird aus der Perspektive von Marguerite Abouet, einer in Frankreich lebenden Autorin aus Côte d´Ivoire erzählt. Die Zeichnungen stammen vom Franzosen Clément Oubrerie. Beide wohnen in Frankreich, dem Land, in dem dieser Comic zum ersten Mal unter dem Titel “AYA de Yopougon, tome 1” erschien und sogar Anfang dieses Jahres auf dem Comicfestival in Angoulême den Preis für das beste Newcomer-Album gewann. Ein zweiter Band “Aya de Yopougon, tome 2” ist auf Französisch verfügbar. Beide Alben verkaufen sich gut in Frankreich. Was für den deutschsprachigen Raum vielleicht auch bald möglich sein wird?
Dieser Comic ist inhaltlich weit entfernt von irgendwelchen Klischees über Afrika und seine Menschen. Die Farben sind gut verarbeitet und passen gut zur Darstellung der kräftigen Realität, die beschrieben wird. Ein klarer Charakterzug sowie eine schöne Schrift vom Zeichner fördern und lockern das Lesen auf. Die Dialoge sind kurz, und sprachlich präzis. Die Übersetzung aus dem Französischen ist sehr geglückt. Der deutsche Text ist durch Slangwörter aus Yopougon, dem bevölkerungsreichsten Stadtviertel von Abidjan, ergänzt. Das Buch spielt in den 70er Jahren, als Abidjan noch Hauptstadt von Côte d´Ivoire war (heute ist es Yamoussoukro). So bevölkerungsreich Yopougon ist, so reich an Abenteuern ist das Leben für junge Menschen dort. In diesem Viertel gibt es ein junges Mädchen, das gegen die Welt kämpft und das ist Aya.
Aya ist ein junges 19-jähriges Mädchen. Sie ist ehrgeizig, engagiert, fleissig. Ein Mädchen, das man in Afrika sowie überall auf der Welt noch heute treffen kann. Aya hat ein klares Ziel: Sie will Ärztin werden. Doch Pech für sie, denn ihr Vater ist entschieden dagegen, weil er nicht genug Geld hat ihr Studium zu finanzieren. “Ein Studium ist was für Männer” (S.22) sagt er. Diese harten Realitäten bremsen Aya nicht, weiter hart zu arbeiten. Sie nutzt jede freie Sekunde zu studieren und hat wenig Freizeit. Was vielen ihrer Freundinnen und Verehrer nur Ärger bereitet. Bintou und Adjoua sind Ayas besten Freundinnen und verbringen ihre Zeit auf geheimen Partys. Dort trifft man Menschen aus allen sozialen Schichten. Während Bintou nach reichen Männern ausschaut, gerät Adjoua durch eine ungewollte Schwangerschaft in eine prekäre Situation. Adjoua sucht sich als Vater für ihr Kind den Sohn von Herrn Sissoko, einem einflussreichen Mann, der Brauereidirektor und Freund vieler Minister sowie des damaligen Staatschef Houphouet Boigny ist. Man liest der Comic sehr leicht und schnell. Es endet auch schnell und zum Schluss will man mehr…. Hoffentlich kommt bald der zweite Band für den deutschsprachigen Raum.
Eine Geschichte, die eine Realität Afrikas zeigt, die in vielen afrikanischen Ländern zu finden ist. Hier denke ich nur an das Viertel New Bell der kamerunischen Hafenstadt Duala. Ein Comic jenseits des miserablen sowie exotisierenden Afrika. Es wird ein ganz normales Afrika mit all seinen gesellschaftlichen Komponenten gezeigt: lebenslustig, farbenfroh, traurig und Meister der eigenen Zukunft. Als Bonus kommen Kochrezepte vor wie zum Beispiel Erdnüsssauce … hmmmm … sowie Modetipps für Frauen und ein Glossar namens “Ivorischer Bonustrack” mit Wörtern, um den Slang von Yopougon zu verstehen.
Endlich ein Comic von in Europa lebender AutorInnen, die ein anderes Bild Afrikas zeigen. Weit entfernt von der bekannten Geschichte “Fipps der Affe” von Wilhelm Busch aus dem Jahre 1879 oder dem Comic-Klassiker “Tim im Kongo” des Belgiers Hergé mit all seinen vorurteilsbehafteten Klischees von Afrika und seinen Menschen. Eine Darstellung von Afrika im Widerspruch mit allem, was wir bis heute im Bereich Afrika und Comic im deutschsprachigen Raum je erlebt haben. Nämlich ein Comic ohne Tiere als Haupt- oder Nebenakteure, ohne Hütten als traditionellen Wohnorten von Afrikanern und der fast obligatorischen Nacktheit von Afrikanern. Für ein neues Zeitalter der Darstellung von Afrika und ihren Menschen im deutschsprachigen Raum … und in ganz Europa sowie in Nordamerika.
AYA wird auch in Nordamerika (Kanada und USA) bei der kanadischen “Drawn & Quaterly” im März 2007 auf Englisch erscheinen. Eine junge Afro-Amerikanerin, die schon gelesen hat, schreibt diesbezüglich in ihrem Blog, digitalfemme.com: “Also wonderful is Marguerite Abouet and Clement Oubrerie’s Aya from Drawn & Quarterly. Aya tells the story of a teenage girl and her two friends as they attempt to assert their independence and enjoy life in the working class neighborhood of Yopougon in 1978. I adore this book because it shows a side of Africa that Americans are rarely, no… make that never, allowed to see. Romantic, prosperous, humorous, light-hearted, hopeful, idealistic. How often do we get to see an African protagonist or community with those qualities? Hell, how often do we get to see an African protagonist or community at all? “ Sehr empfehlenswert.
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Zeichnungen: Clément Oubrerie – Text: Marguerite Abouet – Übersetzung: Kai Wilksen – Verlag: Carlsen Verlag – Erschienen: Oktober 2006 – Herkunftsland: Frankreich / Belgien – Format: Kleinformat, Hardcover, vierfarbig – 112 Seiten – Empfohlen ab: 14+ – 14,90€ (Deutschland) – 15,40€ (Österreich) – 28,20 sFR (Schweiz) – Genre: Erzählung: Drama – Gewicht in Gramm: 420