BLACK PEOPLE IN AUSTRIA

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Rassistischer und sexistischer Comic-Band wird verkauft trotz Marktrückzug

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Wien – Sechs Monate nachdem die deutsche Ausgabe des letzten Spirou-Bands, “Spirou und die blaue Gorgone”  veröffentlicht wurde, werden Vorwürfe von Rassismus und Sexismus laut. In Belgien und Frankreich ist das französische Original, erschienen im Jahre 2023, aus dem Verkauf zurückgezogen worden. 30 von 90 Seiten sind voller rassistischer und sexistischer Zeichnungen und Texte. Im deutschsprachigen Raum wird der Band weiterhin auf Amazon vertrieben. Obwohl der belgische Herausgeber sich öffentlich entschuldigt hat, findet es der deutsche Herausgeber Carlsen Comic nicht notwendig öffentlich Stellung zu nehmen.

simon INOU

Schwarze Menschen sind keine Affen

Angefangen hat es mit der französischen Tiktokerin Charlotte (@chaa_pr), die am 27. Oktober 2024 ein knapp 2-minütiges Video publiziert, in dem sie die französische Ausgabe in der Hand hält und spricht. Sie sagt, dass „weiße Personen im Buch wie Menschen ausschauen, aber Schwarze Personen wie Affen aus. Wenn du nicht weißt, dass wir uns auf dem Planeten der Affen befinden, kannst du denken, dass es sich um Menschen mit Affen handelt. (…) Alle Frauen werden hypersexualisiert”.

Dann zeigt sie die Zeichnungen. Sie sind  eindeutig. Schwarze sind keine Menschen, sondern Affen. Das Video, das mehr als 794.000 Mal gesichtet wurde, hat in Frankreich und Belgien, wo der Dupuis Verlag ansässig ist, eine heftige öffentliche Diskussion angeregt. Diese hat vier Tage später dazu geführt, dass der Verlag Dupuis am 31. Oktober 2024 folgendes auf seiner Webseite publiziert: „Es tut uns zutiefst leid, wenn dieses Album schockiert und verletzt hat. Dieses Album ist Teil eines karikaturistischen Darstellungsstils, der aus einer anderen Zeit übernommen wurde”. (siehe Screenshot).

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Der Band wurde sofort aus dem Verkehr zurückgezogen. Auf rtl.be gesteht der Zeichner Danny, dass er seine Wahl bereut und fährt fort: „Ich bewundere Franquin – frankophoner belgischer Comiczeichner und -autor, bekannt durch Serien wie Spirou und Fantasio –  total und habe seine Codes beibehalten. Ich werde das nicht mehr so machen. Ich sehe ein, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich bereue es wirklich, dass ich Menschen verletzt habe“.

30 Seiten von 90 enthalten rassistische sowie sexistische Zeichnungen

Wir haben eine Ausgabe aus den Wiener Büchereien bestellt und gelesen. Die Geschichte, die in diesem Band erzählt wird, hat mit dem Umweltschutz zu tun. Die blauen Gorgonen sind eine Gruppe von Ökopazifistinnen mit radikalen Methoden, die bis zur Entführung und Zerstörung von Fastfood-Ketten reichen. Bei einer Reportage entdeckt die Journalistin Steffani, dass die Aktivitäten der Gruppe vom Grafen von Rummelsdorf finanziert werden. Als Spirou und Fantasio die Ermittlungen übernehmen, geraten sie in einen Kampf zwischen Simon Santo, ausbeuterischer Milliardär, und die blaue Gorgone, die bis in die USA reichen. Die meisten rassistischen Zeichnungen beginnen auf dem USS Obama Flugzeugträger (S.44, Ableitung aus Barack Obama als der erste Schwarze Präsident der USA?), mit einem dummen und brutalen Admiral namens Denzelle (Ableitung aus Denzel Washington?). Eine sinnvolle Geschichte, die mit Mitteln erzählt werden, die eher anstößig und stark diskriminierend sind.

Band auf der Homepage des deutschsprachigen Verlages verschwunden
Im deutschsprachigen Raum wurde der Comic-Band vom renommierten Carlsen Verlag am 30. April dieses Jahres herausgegeben und ab Mai auf dem Markt gebracht. Schon eine Woche nach dem Verkaufsstart hatte Michael Müller das Buch auf Amazon rezensiert und bemerkte, dass “Alle weiblichen Protagonisten in diesem Band, bis auf die afroamerikanische Kapitänin, werden einfach nur als vollbusige Dummchen mit aufgespritzten Lippen gezeichnet (selbst unsere seit Jahrzehnten bekannte Steffanie!), und alle afroamerikanischen Protagonisten werden – wie in den 50ern des vergangenen Jahrhunderts – als schwulstlippige, beinahe schimpansenähnliche Figuren gezeichnet.”

Im Jahre 2009 war der Carlsen Verlag schon mal besser

AYA, ein beachtenswerter Comic voller Lebenslust von Carlsen Comic
Das war der Titel meines Artikels im Jahre 2009, nach dem Erscheinen des Comic-Bands 1 Aya.  Zum ersten Mal in der deutschsprachigen Comicgeschichte wurden wir als Schwarze Personen mehr als respektvoll karikiert. Der Comic hiess AYA und wurde aus der Perspektive von Marguerite Abouet, einer in Frankreich lebenden Autorin aus Côte d´Ivoire erzählt. Die Zeichnungen stammen vom Franzosen Clément Oubrerie. Beide wohnen in Frankreich, dem Land, in dem dieser Comic zum ersten Mal unter dem Titel “AYA de Yopougon, tome 1” erschien und sogar Anfang 2009 auf dem Comicfestival in Angoulême den Preis für das beste Newcomer-Album gewann. Ich schrieb damals folgenden Text darüber: “(…) Endlich ein Comic von in Europa lebenden AutorInnen, die ein anderes Bild Afrikas zeigen. Weit entfernt von der bekannten Geschichte “Fipps der Affe” von Wilhelm Busch aus dem Jahre 1879 oder dem Comic-Klassiker “Tim im Kongo” des Belgiers Hergé mit all seinen vorurteilsbehafteten Klischees von Afrika und seinen Menschen. Eine Darstellung von Afrika im Widerspruch mit allem, was wir bis heute im Bereich Afrika und Comic im deutschsprachigen Raum je erlebt haben. Nämlich ein Comic ohne Tiere als Haupt- oder Nebenakteure, ohne Hütten als traditionelle Wohnorte und der fast obligatorischen Nacktheit von Afrikaner:innen.” Der ganz Artikel ist hier zu lesen: AYA, ein beachtenswerter Comic voller Lebenslust . Warum der Verlag dieses Mal diese rassistischen Zeichnungen publiziert hat, bleibt ein Rätsel.

Der deutschsprachige Herausgeber schweigt. Buch wird auf Amazon.de weiterverkauft.

Störend ist das Schweigen des Carlsen Verlages zu rassistischen und sexistischen Vorwürfen sowie darüber, dass der belgische Verlag den Band aus dem Verkauf zurückgezogen und sich entschuldigt hat. Obwohl der sexistisch-rassistische Band von der Homepage nicht mehr zu bestellen ist, finden wir noch ein Werbeposting des Bands auf der Instagram Seite des Verlags. Sie wurde am 1. Mai publiziert.

Weder auf der Homepage des deutschen Verlags, noch auf deren Social-Media-Plattformen wird darauf Bezug genommen. Auf Amazon wird das Buch weiter verkauft.

Deutschsprachiger Band bereits vergriffen

Wir haben mehrere Fragen an den Carlsen Verlag geschickt. Darunter eine Frage über die Gründe, warum der deutschsprachige Verlag keine öffentliche Stellungnahme publiziert. Hier die Antwort, die wir erhalten haben: “Der belgische Verlag Dupuis hat den Band “Spirou et la gorgone bleue” von Dany & Yann nach massiven Beschwerden über die Darstellung von People of Colour und Frauen seitens der Leserschaft vom französisch sprechenden Markt genommen und uns darüber informiert. Der Band ist bei Carlsen unter dem Titel “Spirou und Fantasio Spezial 42 – Spirou, die blaue Gorgone” erschienen und bereits vergriffen. Der Band wird nicht wieder aufgelegt, da wir uns entschieden haben, dem Originalverlag in seiner Entscheidung zu folgen”.

Stellungnahme des belgischen Verlages

Deutsche Übersetzung:

Seit einigen Tagen häufen sich die Wortmeldungen, in denen die Wut über die Darstellung von Schwarzen Menschen und Frauen in Dany und Yanns Spirou „vu par“: „La Gorgone bleue“, das im September 2023 veröffentlicht wurde, zum Ausdruck gebracht wird. Es tut uns zutiefst leid, wenn dieses Album schockiert und verletzt hat. Dieses Album ist Teil eines karikaturistischen Darstellungsstils, der aus einer anderen Epoche übernommen wurde.
Wir sind uns mehr denn je unserer moralischen Pflicht und der Bedeutung bewusst, die Comics als Verleger und im weiteren Sinne das Buch für die Entwicklung der Gesellschaften haben, und übernehmen an diesem Tag die volle Verantwortung für diese Fehleinschätzung.
Aus diesem Grund möchten wir uns aufrichtig entschuldigen. Wir haben die Rücknahme des Buches aus allen Verkaufsstellen veranlasst.
Die Éditions Dupuis, 31. Oktober 2024

Auszüge aus dem Comic-Band

simon INOU

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Herausgeber blackaustria.info

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