Restitution als neuer Vertrag zwischen Afrika und Europa
Vom 31. August bis 2. September veranstalteten die Organisationen AFRIEUROTEXT und fresh Magazin ein internationales Symposium zur Restitution afrikanischer Raubkunst in österreichischen Museen.
Ein Bericht von simon INOU
Das „Kitong-Kiass” internationale Symposium 3RRR – Restitution, Rehabilitation, Reconciliation – beschäftigt sich zum ersten Mal mit der Frage der Restitution aus afrikanischer Sicht. Oft wird das Thema der Restitution afrikanischer Raubkunst nur in Fachkreisen diskutiert, wo Menschen der afrikanischen Diaspora nicht Teil der Diskussion sind. „KITONG-KIASS“ bedeutet „Unser Erbe, unsere Erinnerung” in der kamerunischen Yangben-Sprache.
Bei der dreitägigen Konferenz in Wien kamen zum ersten Mal Fachleute aus Afrika und Europa, sowie die in Österreich ansässige afrikanische Zivilgesellschaft, Kunstschaffende und Politiker*innen zu Wort. Die afrikanische Zivilgesellschaft positionierte sich zu Fragen der Restitution afrikanischer Raubkunst in österreichischen Museen. Bei diesem Symposium ging es nicht nur darum, die Komplexität der Restitutionsdebatte zu entwirren. Denn bei der handelt es sich um mehr, als nur um Kunstwerke. Gesprochen wurde unter anderem über menschliche Überreste, die in Österreichs Museen und Universitäten liegen, aber auch um afrikanische Archive, Wissenschaft und Gesundheit.
„Habt keine Angst! Niemand will die Museen ausleeren!” Mit diesem Statement rief der kamerunische Historiker und Politologe Dr. Achille Mbembe heimische Museen am Mittwoch zum Dialog über die Restitution von im kolonialen Kontext geraubten Kunstwerken auf. Mbembe, der an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg lehrt und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Fragen der Restitutions- und Afrikapolitik berät, ist Schirmherr der Veranstaltung. Weiterhin argumentierte der Forscher: „Die afrikanische Diaspora spielt in vielen Ländern eine Schlüsselrolle in der Diskussion zwischen Museen und Politik. Es würde so gut tun, das auch in Österreich zu sehen. Zusammen können wir etwas schaffen, von dem alle profitieren.”
Daniel Bitouh, Gründer und Leiter von AFRIEUROTEXT, appellierte hingegen an Österreichs Bundesmuseen, die trotz seiner Einladungen nicht zum internationalen Symposium kamen, einen echten Dialog mit der afrikanischen Diaspora in Österreich zum Thema Restitution zu führen. Für ihn bedeute Restitution mehr als ein Zurückgeben. „Die aktuell brisante Frage der Rückgabe geraubter afrikanischer Kunstschätze stellt eine Chance für einen differenzierten und anders artikulierten Dialog zwischen Afrika und Europa dar”, sagte er bei der Pressekonferenz. Es geht um eine neue Gründung der Afrikanisch Europäischen Beziehungen jenseits von Entwicklungshilfe, die in den letzten sechzig Jahren das Gesicht Afrikas nicht zum Besseren verändert hat.
Der zweite Tag der Veranstaltung war geprägt von Vorträgen, wie von Frau Khadija von Zinnenburg Carroll, über eine vergleichende Globalgeschichte und über Österreichs Haltung zu Restitution. Darüber hinaus gab es Podiumsdiskussionen mit Parlamentarier*innen, wie Ulrike Brandstötter, die die Diskussion zum Thema afrikanische Restitution mit einer parlamentarischen Anfrage ins Rollen brachte. Achille Mbembe thematisierte hierbei den neuen „Afrikanisch-Europäischen Vertrag“ durch die Restitution. Er betonte seine Leidenschaft für den Aufbau von „Beziehungen, die befreien”, im Kontrast zu „Beziehungen, die unterdrücken”.
Am dritten Tag hielt unter anderem Lisa Tackie einen Vortrag über die Reise als Form des Widerstandes. Die Studentin der Afrikawissenschaften fragte sich, wie sich Rassismus als globales System in der Art und Weise, wie Schwarze Menschen sich in dieser Welt bewegen und reisen, widerspiegelt.
Madge Gill Bukasa ihrerseits referierte über das Thema der „afrikanischen Archive”. Sie erörterte und verglich praktische und technische Einblicke über die Möglichkeiten der Archivierung von afrikanischen Sammlungen und der kulturellen Kommemoration, anhand des Beispiels „die Bunten“, ihres Magazins. Ein zentrales Thema rund um das Gedächtnis der afrikanischen Diaspora in Österreich und Europa ist das systematische Dokumentieren der Arbeit der Selbstorganisationen und Medien der Afrikanischen Diaspora. Aber wie soll dies geschehen? Indem sie zusammenkommen und gemeinsam überlegen, wie.
Positiv überrascht waren die Teilnehmenden, sowie die Organisator*innen von der Anwesenheit von drei Mitgliedern des österreichischen Gremiums zur Restitution, geleitet von Dr. Jonathan Fine, dem Leiter des Weltmuseums Wiens. Drei der fünf Mitglieder konnten auf dem Podium die Position des im Januar gegründeten Expert*innengremiums zum Thema Restitution kundtun und auf Fragen des Publikums beantworten.
Dr. Achille Mbembe schloss die Konferenz mit der Aussage, dass er für eine Politik der Umwandlung stehe, die eine Politik des Zorns überwinde. Der Unterschied werde stattfinden, wenn wir uns, wie unsere Vorfahren, Richtung bedingungslosem Humanismus orientieren können. Denn diese Werte lägen dem Aufbau einer neuen afrikanisch europäischen Beziehung zugrunde. Restitution wirft Fragen zu einer neuen und differenzierten Ordnung in den österreichisch-afrikanischen Beziehungen auf. Diese Fragen beinhalten Antirassismus und eine aktive und inklusive Partizipation von Afrikaner*innen. Demnach sollen Organisationen und Initiativen der afrikanischen Diaspora Österreichs in allen politischen Entscheidungen, die sie betreffen, und die Afrikaner*innen – sowie deren Diaspora – als konstitutive Bestandteile der österreichischen Zivilgesellschaft wahrgenommen werden. Für Achille Mbembe ist Kritik sehr erwünscht, aber keine Kritik, die Gräben aufbaut, sondern Kritik, die den Weg zum ehrlichen Wiederaufbau ebnet.
In Zusammenarbeit mit lonam.de