BLACK PEOPLE IN AUSTRIA

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“Afrika ist kein Land” von Dipo Faloyin

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Lisa Ndokwu

600 Millionen US-Dollar erwirtschaftet die Filmwirtschaft in Nigeria jährlich. Das, was um die Jahrtausendwende als Video-Produktion in Lagos begann, ist mittlerweile eine gigantische Filmindustrie. Eine Million Menschen arbeiten im so genannten Nollywood.

Das Geheimnis des Erfolgs sind nicht nur Geschichten, die die Menschen berühren. Der wirtschaftliche Erfolg beruht auf Wissen, Ausdauer, Disziplin und nicht zuletzt einem hohen Maß an Kreativität. Dipo Faloyin, Autor und Journalist, in der Metropole Lagos aufgewachsen, hat mit seinem Buch „Afrika ist kein Land“ eine längst überfällige neue Perspektive des 54 Staaten umfassenden Kontinents vorgelegt. Mit Charme und punktuellem Sarkasmus schreibt er gegen Stereotype, Rassismus und Unwissenheit an. Die Kochkünste seiner Tanten, die Weisheiten seiner Eltern und die Bonmots seiner Nichten und Neffen bilden das Fundament dieser kurzweiligen Reise durch den weitläufigen Kontinent.

A wie Artefakt bis Z wie Zamundo

In acht Kapiteln werden die europäischen Grenzziehungen auf ungenauen Landkarten des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die Kolonisierung, die Befreiung und Entwicklung von Demokratien anhand von Diktaturen, verrückte Könige – auch erfundene wie der „Prinz von Zamundo“ bis zu den zahlreichen Artefakten, die in westlichen Museen lagern, verhandelt. Die perfiden Argumente gegen eine Rückgabe der gestohlenen Artefakte an die rechtmäßigen Besitzer transportieren die jahrhundertelangen Stereotpye. Unwissende Schwarze, die in ihren Museen nicht in der Lage sind, ihre Schätze richtig zu präsentieren und zu lagern. Ein Kontinent voller Gefahren für die kostbaren Kunstwerke, während auf den großen Bühnen der Pop-Kultur „Do They Know It´s Christmas“ gesungen wird. Wohltätigkeitsaktionen für das „arme“ Afrika haben einen besonderen Hype. Einige Hollywood-Stars haben Kinder aus „Afrika“ adoptiert.

Die Savanne als Kulisse

Wie sehr Hollywoods Bilder die Sichtweise auf den Kontinent prägen, zählt zu den am meisten demaskierenden Passagen des Buches. Die Ingredienzien sind immer dieselben. Afrika bildet lediglich eine landschaftliche Kulisse für Liebesgeschichten von Weißen, die Kolonialzeit wird romantisiert oder mutige Männer aus der westlichen Welt retten Afrika vor sich selbst. In allen Filmen sind Afrikaner als Nebendarsteller zu sehen. Das jeweilige Land spielt ebenso eine untergeordnete Rolle wie die Bevölkerung. Im Grunde zieht sich ein roter Faden durch das vielschichtige Buch. Weiße Überlegenheitsphantasien, die jeglicher vernünftiger Grundlage entbehren und absolute Ignoranz gegenüber Stimmen und Erkenntnissen aus dem Kontinent.

Wie man über Afrika schreibt“

Argumente gegen die bequeme Darstellung von Afrika als Land finden sich in den Literaturen der Autorinnen und Autoren des Kontinents – von Chimamanda Ngozi Adichie bis Binyawanga Wainana. Letzterer verfasste einen viel zitierten Essay „Wie man über Afrika schreibt“. Wenn Sie bei Dipo Faloyin nachlesen, werden Sie unter Umständen überrascht sein, wie konsequent Vorurteile und Unwissenheit tradiert werden, obwohl die Fakten schon längst am prächtig gedeckten Tisch liegen.

Jollof Rice hilft immer

Dipo Faloyin weiß, ein guter Gastgeber zu sein. Er serviert Jollof Rice, ein sagenumwobenes Reisgericht, das in jeder westafrikanischen Familie immer dann gereicht wird, wenn jemand besonderen Trost braucht, wenn es eine Party gibt, wenn plötzlich die Verwandtschaft aus Übersee vor der Tür steht oder wenn das Buch leider zu Ende gelesen ist.

Dipo Faloyin, „Afrika ist kein Land“, aus dem Englischen von Jessica Agoku. suhrkamp nova 2023,

ISBN: 978-3-518-47320-7

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