Issa. Ein Roman von Mirriane Mahn
Von Lisa Ndokwu
Wenn die Tarotkarten der Tante den Tod zeigen, die Träume der Mutter den eigenen ähneln und eine nicht geplante Schwangerschaft die gesamte Familie in zwei Gruppen – für und gegen das Kind – spaltet, dann ist es Zeit für eine Reise zu den Ritualen des Geburtslandes. Als Issa in Douala/Kamerun landet, ist ihr übel und sie kommt beinahe um vor Hunger und Hitze.
Eine interkontinentale Familie
Mirriane Mahn erzählt in ihrem Debütroman „Issa“ die Geschichte einer interkontinentalen Familie. Als Schwarze im Hunsrück/Deutschland aufgewachsen, weiß die Autorin genau, wie sie mit Widersprüchen und Wahrheiten umgehen kann. Gekonnt vereint sie die Rollen der Theatermacherin, Aktivistin und Lokalpolitikerin. Als solche spricht sie auch Themen an, die gern unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt werden. Die koloniale Vergangenheit Deutschlands in Kamerun ist ein zentrales Thema in diesem Roman.
Weibliche Verbündete
Marijoh, die Urgroßmutter der Protagonistin Issa, kommt 1903 in Kamerun zur Welt. Ihre Geburt ist für die minderjährige Enanga ein Mysterium, für deren Eltern eine Schande. Sir William, der freundliche deutsche Arbeitgeber, kann sich an nichts erinnern. Marijohs Haut wird die Erinnerung an ihn mehr als hundert Jahre bewahren. Issa hat in ihr eine Verbündete und ein Vorbild. Dass Issas Mutter einen Deutschen geheiratet hat und mit ihrer Familie in Deutschland lebt, verfestigt die historische Bandbreite des Romans.
Mirriane Mahn hat vor allem einen feministischen Roman geschrieben. Es sind die Frauen, die die Handlung vorantreiben, die die Geschichte schreiben. Auch wenn sich die Großmütter nicht entscheiden konnten, ob und wen sie heiraten, sie haben sich eine Eigenständigkeit und einen Eigensinn bewahrt, von dem Issa unmittelbar profitiert. Nicht viele Enkelinnen sprechen mit ihren Großmüttern über ihre Sexualität. Und darüber lachen, werden nur einige wenige.
Rituale der Selbstermächtigung
Ihre Schwangerschaft wird mit der Familie gefeiert und geteilt. Die Rituale werden von einem Schamanen des 21. Jahrhunderts in einem Hinterzimmer eines Internetcafés durchgeführt. Er trägt Turnschuhe und ist unter Umständen sogar ein Verwandter. Eindeutig kommt die Ziege, die geopfert werden muss, von einem entfernten Cousin.
Interkontinentale Geschichten zeichnen sich durch viel Personal aus. Der Autorin gelingt es, die vielen Figuren, die mit der Hauptfigur verbunden sind, so zu beschreiben, dass man ihnen bis in das Jahr 2006 zu Issas Reise nach Kamerun folgen kann. Nach dem Abschluss der Rituale kehrt sie nach Deutschland zurück. Ihr ist in Flugzeugen immer noch übel. Und auch wenn es wie ein Spiel mit Klischees anmutet, sie hat sich verändert. „Issa“ ist die Geschichte einer Selbstermächtigung.
Mirriane Mahn. Issa. Roman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2024. ISBN: 978-3-498-00390-6