Beatrice Achaleke: Vorbei sind auch Zeiten der Postdankbarkeit !
Von Béatrice Achaleke
Aus meiner langjährigen Erfahrung als Mitstreiterin in Kulturbereichen und Entwicklungspolitik sowie der Erwachsenenbildung habe ich beobachtet, dass Migrantinnen (die Zielgruppe) meistens unbeachtet bleiben. Ich könnte sogar meinen, dass sie nur dann erwünscht sind, wenn sie ihre Rolle als „Opfer“ und „Hilfsbedürftige“ brav erfüllen. Nicht einmal in sozialen Bereichen wie Beratungsstellen für MigrantInnen oder der Flüchtlingsberatung sind schwarze Migrantinnen zu finden. Der Grund dafür ist kein Geheimnis mehr! „Es gibt keine Qualifizierten“, „sie sind faul“, „sie arbeiten anders als wir“, „es lohnt sich nicht mit ihnen zu arbeiten“, etc − und so wird die Nichteinbindung der „Betroffenen“ gerechtfertigt. Ich als schwarze Migrantin habe neben dem üblichen alltäglichen Rassismus und Sexismus mit solchen Vorurteilen kämpfen müssen. So wird Ausgrenzung und Diskriminierung gespeist. Dazu kommt die Tatsache, dass wir schwarzen Frauen meistens mit Stereotypen, die uns zu exotischen Sex-Objekten reduzieren, kämpfen müssen. Zudem wird von uns erwartet, dass wir dankbar dafür sind, überhaupt in diesem „paradiesischen Land Österreich“ sein zu dürfen, dankbar dafür, dass es Leute gibt, die sich täglich für unsere „Integration“ in diese Gesellschaft einsetzen, dass sie, stellvertretend für uns, uns besser zu vertreten wissen als wir selbst. Als „Ausländerin“ ist deutsch ja nicht meine Muttersprache und wir können uns und unsere Anliegen nur schwer zum Ausdruck bringen. Außerdem hat uns der „böse“ Gesetzgeber durch viele Hürden den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert (Fremdengesetze, Ausländerbeschäftigungsgesetze und andere „Gesetze“)
Aber wir können froh und dankbar sein, denn es gibt sehr viele „Anti-Rassisten“ und genug „gutmeinende“ Mehrheitsangehörige, die neben ihrem Engagement auch Arbeitsplätze benötigen. Dankbar auch dafür, dass es eine Stadt und eine EU gibt, die als Alibi für ihre viel kritisierte Migrationspolitik bereit sind, Mittel zur Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung freizustellen, (vorausgesetzt die Projekte werden überwiegend von Mehrheitsangehörigen beantragt), während die Grenzen Europas gefestigt und Flüchtlingslager in Afrika gebaut werden.
Nun: Ich als schwarze Mitbürgerin mit migrantischem Hintergrund möchte ein Ende machen mit alldem. Vorbei sind auch die Zeiten der „Postdankbarkeit“. Ich will selbst bestimmen und mitbestimmen. Auf die oft „gut gemeinte“ Stellvertretung verzichte ich. Ich bin mündig und sprechen kann ich auch. Ich mische mich daher in alle uns (schwarze MitbürgerInnen) betreffende Angelegenheiten ein. Wir lehnen alle Entscheidungen und Maßnahmen ab, die über unsere Köpfe hinweg getroffen werden. Auch von den beliebten Alibis bzw. Rechtfertigungen wie „es gibt keine Qualifizierten“ oder „sie sind faul“ möchte ich persönlich nichts mehr wissen. Denn drei Studien der Politologin Maga Ishraga Mustafa Hamid unter Afrikanerinnen in Wien (1999, 2000 und 2001) zeigen, was wir unter uns schon immer wussten: Nämlich, dass Afrikanerinnen ein hohes Bildungsniveau haben. Rund 80 % von uns haben einen Mittelschulabschluss und rund 37 % ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Dass wir trotz dieses hohen Bildungsniveaus eine sehr prekäre berufliche Situation erleben bzw. dass der Zugang zum Arbeitsmarkt begrenzt ist, ist eine Tatsache, die wir bekämpfen werden, genauso wie alle anderen Formen von Ausgrenzung und Mobbing.
Auch Erwin Ebermann berichtet in seinem Buch „Afrikaner in Wien – Afrikaner und ihre Diaspora“ (Münster 2002; www.afrika-wien.at), dass in insgesamt 13 untersuchten Organisationen in sozialen Bereichen wie z.B. Integration, Flüchtlings- und AusländerInnenberatung, Kultur- und Entwicklungspolitik von insgesamt 116 Mitarbeiterinnen nur neun aus Nicht-EU-Ländern kamen und nur fünf aus Ländern des Südens (Afrika, Asien, Lateinamerika). Mit solch eindeutigen Zahlen stellt sich für mich die Frage: „Für wen wird in diesen Bereichen gearbeitet? Bei so hohem Ausbildungsniveau kann es doch nicht sein, dass es keine qualifizierten Mitarbeiterinnen gibt. Sind schwarze Migrantinnen überhaupt hier erwünscht?
Könnte es sein, dass aus ihrer Notlage Kapital (Schaffung und Sicherung der eigenen Arbeitsplätze) geschlagen wird? Seien wir doch ehrlich (auch wenn es unglaubwürdig klingt), wir Migrantinnen schaffen doch Arbeitsplätze. Nein, sagen wir es anders: Rassismus, Sexismus, Diskriminierung und Ausgrenzung schaffen Arbeitsplätze. (Immerhin arbeitet eine beträchtliche Anzahl von Organisationen bzw. Menschen in diesem Bereich.) Warum sollen diese „man-made-problems“ abgeschafft werden? Wohl wissend, dass sich mit ihrer Abschaffung die Arbeitslosenquote nach oben bewegen würde? Zugegeben, es arbeiten auch Migrantinnen hier, aber wie viele? Und wie viele davon sind schwarz und haben ein Angestelltenverhältnis?
Aber Jammern gehört für mich auch endgültig zur Vergangenheit, denn ich bin der Meinung, es ist schon genug gejammert worden. Außerdem schafft das Jammern nur Frust und Passivität. Ich bin für Partizipation! Wir müssen aktiver werden, denn nur so können wir unsere Lage ändern. Ich habe es satt, immer nur eine „arme Betroffene“ oder „Opfer“ zu sein. Ich bringe nicht nur Lust, sondern auch Kraft, Energie, Kompetenz, Know-how, Willen und eine gute Portion Frechheit als Bonus mit. Frechheit, weil meine Erfahrung gezeigt hat, dass Kompetenz und Know-how alleine nicht ausreichen, um „meinen“ Platz in meiner neuen Heimat Österreich zu finden.
Ich vertrete die Meinung, dass trotz aller gegenteiligen Behauptungen wir schwarze Mitbürgerinnen weder eine „Katastrophe“ noch einen „humanitären Fall“ darstellen. Ich bin kein Opfer, noch verlange ich Gnade. Ich, wie viele andere schwarze Mitbürgerinnen in Österreich, fordere lediglich mein legitimes Recht, wie z.B. zu wählen und gewählt zu werden, ein ganz normales Leben führen zu können ohne ständige Fragen wie „woher kommen Sie, wie lange sind Sie da, wann gehen Sie wieder zurück“ etc. beantworten zu müssen. Auch als jemand Besonderes gesehen zu werden, empfinde ich nicht unbedingt als Kompliment!
Genau so wehre ich mich, auf eine Hilfsbedürftige reduziert zu werden. Ich sehe mich als eine enorme soziopolitische, kulturelle und menschliche Bereicherung für Österreich.
Ich bin der Meinung, das Land Österreich soll überhaupt dankbar sein, uns schwarze Menschen hier zu haben. Wir sind vielseitig, haben viele Fähigkeiten, die uns sehr flexibel machen (sogar als Akademikerinnen macht es uns nichts aus, minderwertige Jobs anzunehmen). Dies bedeutet aber auf keinen Fall, dass wir gern minderwertige Jobs annehmen, sondern wir zeigen dadurch nur unsere Unkompliziertheit und Flexibilität. Genau diese Eigenschaften machen uns mobil und verleihen uns paradoxerweise eine Form von Freiheit, wenn wir uns einmal dafür entscheiden unsere Kräfte zusammenzuschließen, was nur von Vorteil sein kann für jenes Land, in dem wir uns befinden.
Auch sind die Zeiten vergangen, in denen ich immer nur über meine „Betroffenheit“ bzw. meine Erfahrungen mit Rassismus bei öffentlichen Diskursen berichten sollte/ musste. Ich besitze Fachkompetenzen, und wer mich lieber als Opfer neben sich haben möchte, braucht mich nicht einzuladen, denn ich habe noch dazu das Selbstbewusstsein darauf zu bestehen, dass mein Know-how im Vordergrund steht. Sichtbar werden möchte ich über meine Kompetenzen.
Ich weiß, wie wichtig die Sprache ist, trotzdem bin ich der Meinung, dass die Sprache allein wiederum nicht ausreicht bzw. nicht allein ein Qualitätskriterium bei wichtigen, insbesondere arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen sein darf. Manche Menschen lernen die Sprachen schneller, manche langsamer, manche nie (was schade ist). Meistens besitzen diese Menschen aber andere Qualifikationen, Know-how, Fähigkeiten, Kompetenzen, die nicht durch Sprachschwäche zunichtegemacht werden dürfen. Mein persönlicher Rat an meine Gleichgesinnten bleibt, dass neben der fachlichen Qualifikation die Sprache unheimlich viele Vorteile mit sich bringt.
(Selbst-) Empowerment, Selbstbewusstsein und Mit- und Selbstbestimmung sowie das Sichtbarmachen von schwarzen Frauen sind für mich ein großes Anliegen.
Deshalb habe ich mit anderen schwarzen Frauen in Oktober 2003 die Schwarze Frauen Community (SFC) mitgegründet. SFC als Selbstorganisation ist eine Initiative von schwarzen Frauen unterschiedlicher Herkunft, Nationalität, Kultur, Sozialisation, Religion, Hautfarbe, Sprache, Weltanschauung, Lebensweise etc., die sich durch die Erfahrung von Rassismus und Sexismus für das verstärkte Engagement im Kampf gegen Vorurteile, Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung verbündet fühlen.
Als Selbstorganisation von schwarzen Mitbürgerinnen möchten wir andere schwarze Frauen motivieren, ihnen Mut machen und sie stärken, damit sie ihr Schicksal nicht den anderen überlassen. Wir wollen durch gezielte Aktivitäten Handlungskompetenzen auf allen gesellschaftlichen Ebenen fördern und stärken. Unsere politische Mitbestimmung ist uns sehr wichtig, ebenso wie Vernetzung und Austausch mit anderen Frauen, Migrantinnen und Selbstorganisationen, auf nationaler und internationaler Ebene. SFC Frauen verfügen über Fachkompetenzen, Fachwissen und großteils langjähriger praktischer Erfahrung in den verschiedensten Fachgebieten, die bisher kaum genützt wurden.
Laut der Studie „Afrikaner in Wien – Afrikaner und ihre Diaspora“ von Dr. Erwin Ebermann (Münster 2002; www.afrika-wien.at), waren zur Zeit der Publikation (2002) 7.653 Afrikaner und Afrikanerinnen in Österreich. Davon sind 2.574 Frauen. Insgesamt 4.100 Personen aus dieser Gruppe (inklusive Personen mit Wien als Zweitwohnsitz) sind derzeit in Wien gemeldet. Dazu kommen noch ca.1.000 bis 1.500 nicht gemeldete AfrikanerInnen. Ca. 1.400 sind bereits eingebürgert. Dies ergibt eine Gesamtzahl von 6.500 bis 7.000 Menschen aus Subsahara-Afrika in Wien.
Nicht in dieser Studie berücksichtigt sind schwarze Menschen aus anderen Kontinenten sowie in Österreich lebend Afro-Europäerinnen und Eingeheiratete mit nun österreichischen Namen. Zudem hat es in den letzten zwei Jahren einen Zuwachs der schwarzen Mitbürgerinnen vor allem in Wien gegeben, sei es durch Einwanderung, Geburten etc., der noch nicht statistisch erfasst und nur schwer erfassbar ist.
Wir schwarzen Mitbürgerinnen nehmen uns das Recht, den Raum und die Ressourcen in Anspruch zu nehmen, um uns sichtbar zu machen. Durch intensive Lobbyarbeit wollen wir unsere Anliegen nicht nur vertreten, sondern auch gut verkaufen. Wir sind durchsetzungsfähig. Dies bedeutet für uns nicht nur gut ausgebildet zu sein, sondern und vor allem besser als die guten Mehrheitsangehörigen-Kolleginnen zu sein. Wir sind in Bewegung.
DIE AUTORIN
Beatrice Acheleke ist Mitbegründerin und Obfrau der Schwarzen Frauen Community, (SFC), www.schwarzefrauen.net, mit folgenden Arbeitsschwerpunkten: Menschenrechte,
Entwicklungspolitik, Antirassismus-Training auch für ExekutivebeamtInnen, Arbeit innerhalb der Africans in Wien. Studiert hat sie Jus in Kamerun und Soziologie in Wien.
ERSCHIENEN IN:
AEP Informationen – Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft – Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, 31. Jahrgang, Nr. 4/2004, S. 14-16 -Diesen Text bitte hier Downloaden hier (pdf).