Ein König, der die Sklaverei verbot: Der Eid von Mandén, Mali
Im Jahr 1222, also fünfhundert siebenundsechzig Jahre vor der Erklärung der Menschenrechte, wurde am Tag der Inthronisierung von Sundiata Keita als Kaiser von Mali im Land der Mandinka die Charta des Manden (oder Mande) gesungen. Das Reich Mali, das sich damals auf seinem Höhepunkt befand, erstreckte sich vom Atlantischen Ozean bis zum Niger. Es erlebte dank des intensiven Handelsaustauschs einen großen Wohlstand. Der außergewöhnliche Frieden und die Freiheit, die dort herrschten, sind laut Historiker:innen auf diese Charta zurückzuführen, die ein Vorbild für Humanismus, Respekt und Toleranz war.
1. Die Jäger verkünden:
Jedes Leben ist wertvoll. Zwar kann ein Leben vor dem anderen entstehen, aber dieses Leben ist deswegen nicht “älter”, nicht wertvoller als das nachfolgende. Kein Leben steht höher als ein anderes.
2. Die Jäger verkünden:
Jedes Leben ist wertvoll. Deshalb darf kein Leben verletzt werden. Daraus folgt: Niemand soll sich über seinen Nächsten stellen. Niemand soll seinem Nächsten Unrecht tun. Niemand soll seinesgleichen Gewalt antun.
3. Die Jäger verkünden:
Jeder soll sich um seinen Nächsten kümmern. Jeder soll seine Eltern achten. Jeder soll seine Kinder richtig erziehen. Jeder soll für seine Familie sorgen.
4. Die Jäger verkünden:
Jeder soll seinem Vaterland dienen. Das Vaterland, Faso, sind vor allem die Menschen. Denn ein Land, das von seinen Bewohnern verlassen wird, ist voller Trauer.
5. Die Jäger verkünden:
Der Hunger ist ein Übel. Die Sklaverei ist ein Übel. Auf Erden sind dies die größten Plagen. Doch so lange wir mit Köcher und Bogen bereitstehen, wird niemand in Manden diesen Plagen mehr zum Opfer fallen. Keine Hungersnot wird das Dorf mehr heimsuchen, Kein Krieg es mehr zerstören und die Menschen versklaven. Niemand soll mehr geschlagen Und niemand mehr getötet werden, Denn es wird keine Sklaven mehr geben.
6. Die Jäger verkünden:
Die Sklaverei sei von diesem Tage an nicht mehr – Und ihre Schreckensherrschaft im ganzen Reich Mandén beendet. Welche Qualen wir erdulden mussten! Wie der unterdrückte Mensch leidet, wenn er keine Hoffnung hat! Ein Sklave findet keine Zuflucht, Nirgends in der Welt.
7. Unsere Ahnen lehren uns:
“Der Mensch besteht aus Fleisch und Blut, Aus Mark und Bein, Aus Haut und Haar. Und diesen Körper nährt er mit Speise und Trank. Aber sein Herz, sein Geist nährt sich von drei Dingen: Zu sehen, was er sehen will; Zu sagen, was er sagen will; Zu tun, was er tun will. Wenn dem menschlichen Herz nur eines dieser drei Dinge versagt bleibt, nimmt es Schaden und vergeht alsbald.” Deswegen verkünden die Jäger: Jeder ist fortan sein eigener Herr. Jeder ist frei. Jeder soll die Früchte seiner Arbeit ernten. Dies ist der Eid von Mandén, Und hören soll ihn die ganze Welt.