BLACK PEOPLE IN AUSTRIA

BLACK PEOPLE IN AUSTRIA

Fb. In. Tw.

Aram Ghadimi zum Tod von Seibane Wague – 20 jahre später

image_pdfimage_print

Text von Aram Ghadimi

Am 15. Juli 2023 jährt sich der Tod von Seibane Wague zum 20. Mal. Er war nicht der erste Afrikaner, der in Österreich durch einen Polizeieinsatz gestorben ist. 1999 war Marcus Omofuma bei seiner Abschiebung qualvoll erstickt. Einsatzkräfte der Polizei fesselten ihn an seinen Sitzplatz in einer Linienmaschine. Sie hatten ihm dabei auch Mund und Nase mit Klebeband verschlossen. Nur vier Jahre später, am 15. Juli 2003, starb Seibane Wague unter zunächst unklaren Umständen. Wague, der seit Ende der 1990er-Jahre in Wien lebte, war mit einer Österreicherin verheiratet und arbeitete als Nachtwächter und Kinderbetreuer im Afrika Kulturdorf im Wiener Stadtpark. Bei einer verbalen Auseinandersetzung mit Erfried Malle, dem Leiter des Kulturdorfs, ruft dieser die Polizei. Die Einsatzkräfte, davon sechs der Polizei und drei der Rettung, bringen Wague zu Boden, schlagen und fixieren ihn. Ein Notarzt verabreicht eine Spritze mit einem starken Beruhigungsmittel.

Wague stirbt unter dem enormen Gewicht, das auf seinem Körper lastet. Obwohl nach dem Tod von Markus Omofuma genaue Vorschriften existieren, haben die Einsatzkräfte unsachgemäß gehandelt. Sie geben später falsche Tatsachen zu Protokoll. Dann taucht aber am 18. Juli 2003 ein Video auf. Dem Journalist Florian Klenk, von der Wiener Wochenzeitung Falter, war gelungen ein Zeugenvideo zu finden. Es zeigt, entgegen der Aussagen von Polizei und Rettung, dass Wague nicht getobt hatte. Die beteiligten Einsatzkräfte knien und stehen minutenlang auf Wague, unterlassen jede Hilfe, als Wague nach Minuten der Fixierung regungslos liegen bleibt. Der damalige ÖVP-Innenminister Ernst Strasser stellt sich hinter Polizei und Rettung, spricht ihnen seine volle Loyalität aus. Eine öffentliche Debatte entflammt. Auf der einen Seite verteidigt die Kronenzeitung wochenlang in täglicher Berichterstattung die Einsatzkräfte, polemisiert und stellt Wague zu Unrecht unter Drogenverdacht. Auf der anderen Seite wird das Vorgehen der österreichischen Behörden international kritisiert, zivilgesellschaftlicher Protest begleitet alle weiteren Vorgänge.

Der Fall Wague ist beispiellos in Österreichs Geschichte: Bereits Ende 2004 hatte der Unabhängige Verwaltungssenat die Amtshandlung als rechtswidrig eingestuft. Lediglich ein Polizist und der Notarzt werden zu geringen Strafen verurteilt. Drei Jahre später wird die Strafe des Polizisten, in zweiter Instanz, auch noch reduziert. Während die Beteiligten nahezu straffrei blieben, ist bis heute keine Entschuldigung durch die Republik erfolgt. Jüngste Parallelen zeigen sich in Frankreich, wo erst am 27. Juni 2023 ein Polizist einen 17-Jährigen erschossen hat. Auch hier existiert ein Video. Offen bleibt, ob man in Frankreich anders agieren wird als in Österreich vor 20 Jahren. Behörden bis ganz hinauf zum Innenminister hatten versagt. Gerichte urteilten mild. Und die größte Tageszeitung des Landes überschlug sich in rassistischer Berichterstattung.

Damals formierte sich aber auch ziviler Protest, bekannte Persönlichkeiten kritisierten die Regierung über unterschiedliche mediale Kanäle. Innerhalb der Black Community Österreichs formierten sich zivilgesellschaftliche Initiativen, wie etwa der Verein Schwarze Frauen Community, der bis heute besteht. Auch heuer wird wieder an den tragischen Tod von Seibane Wague erinnert.

Am 15.7.2023 um 17h findet eine Gedenkkundgebung im Wiener Stadtpark statt.
Unter dem Titel „20 Jahre danach – No Justice No Peace!“ erinnert ein zivilgesellschaftliches Bündnis an den Tod von Seibane Wague. Treffpunkt ist der Skaterpark im Stadtpark.

Social Share

Herausgeber blackaustria.info

You don't have permission to register